Der
8. Mai ist wie kein anderer Tag das Symbol des staatlichen
Antifaschismus. Während der Tag der Befreiung, an dem die bedingungslose
Kapitulation vom letzten Teil der Wehrmacht unterzeichnet wurde, in
einigen Ländern als Feiertag oder offizieller Gedenktag begangen wird,
begnügt man sich in der Bundesrepublik damit, aller 5 Jahre eine große
Gedenkveranstaltung im Reichstag abzuhalten.
Bei
dieser werden stets herzerwärmende Reden gehalten, die die
vielbeschworene dunkle Zeit leicht bekömmlich einkleiden. Dazu noch ein
paar Worte zu den Lehren aus der eigenen Vergangenheit sowie zur
aktuellen politischen Lage - und fertig ist die Festrede. Am stärksten
in der bundesdeutschen Erinnerung ist wohl die Rede des damaligen
Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker aus dem Jahr 1985 verankert, in
der er vom "Tag der Befreiung" sprach. Diese Phrase sollte die
vorherige Lesart der Kapitulation als Schmach ablösen.
Vor
genau einem Jahr wurde der 70. Jahrestag begangen und Heinrich August
Winkler, einer der angesehensten deutschen Historiker, nutzte die
Chance, um in atemberaubender - aber wohl unfreiwilliger - Weise den
deutschen Staatsantifaschismus samt der deutschen Läuterung vorzuführen. Seine Rede ist beispielhaft für den grotesken Umgang mit der NS-Vergangenheit. Uns jedenfalls hat diese mehr Spaß bereitet als es das Wedeln mit den Fahnen der Alliierten je tun könnte.
Man
kann es getrost vorwegnehmen: Die Deutschen kommen wieder einmal nicht
allzu schlecht weg. Winkler möchte natürlich niemandem die Möglichkeit
nehmen, sich moralisch gut zu fühlen. Dafür muss man noch nicht einmal
den eigenen Kopf anstrengen, sondern es reicht, sich nach den Geboten zu
richten, die er von seinem Rednerpult herabreicht. Er kann sich wohl
nichts schöneres vorstellen als ein Deutschland, das sich mittels
kollektiver Befolgung
der von ihm aufgestellten Regeln in einem ständigen Prozess selbst
reinigt und seinen Weltmeistertitel im "Lehren aus der Geschichte
ziehen" stolz behauptet.